Am Liebsten habe ich Geschichten mit Menschen die essen oder gekocht werden
Ein Versuch: Für Aglaja Veteranyi
Eine Idee von Yannik Böhmer, Sabrina Tannen (Ernte Olafson) und Marta Piras.
In Anbetracht zweier Jubiläen – Aglaja Veteranyis 20. Todestag und 60. Geburtstag – wird ein Fest vorbereitet. Ob es stattgefunden haben wird, bleibt unklar. Zurzeit sollte das Feiern ruhen – aber die Aufmerksamkeit, Achtsamkeit und die Wertschätzung, welche sich in der Vorbereitung eines (Geburtstags) Festes für jemanden zeigt, wollen wir nicht missen.
Beim Geschenke Schenken und beim Organisieren eines Begräbnisses kann man – es sei denn es gibt Wunschzettel oder letzte Vorkehrungen – nur von der imaginierten Beziehung zur adressierten Person ausgehen. Was meine ich zu wissen über ihre Wünsche? Und zum Ende kann man sowieso nur das schenken, was man selber mag – richtig? Verschiedene Künstler*innen würdigen ihre imaginierte oder reale Beziehung zur Autorin und Schauspielerin Aglaja Veteranyi, in dem sie mit diesen Fragen umgehen in Form kleiner Szenen, Skizzen, Installationen, Partyvorbereitungen und Proben.
Wenn ich sie gekannt hätte, wäre dies die Party gewesen, die ich für sie organisiert hätte.
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Mit
Eine Idee von Yannik Böhmer, Sabrina Tannen (Ernte Olafson) und Marta Piras.
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Von und mit Yannik Böhmer, Delia Dahinden, Mira Guggenbühl, Melika Jamili, Svenja Koch, Richard Lehner, Lisa Liner, Franca Manz, Jens Nielsen, Marta Piras, CHOR ROSA – Der queere Chor in Zürich, Janna Rottmann, Stefanie Steffen, Sabrina Tannen, u.a.
Fotos
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Textfragmente
Die Autorin Fiona Schreier über die Veranstaltung
Zwischenräume
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Ich stelle mir den Himmel wie eine Garderobe vor.
Diesen Satz habe ich ausgewählt, um mich therapieren zu lassen. Von einer
Puppe. Die Puppe heisst Lucy.
Kann mich eine Puppe therapieren? Von was denn eigentlich therapieren?
Vom Leben? Vom Tod? Von der Angst, dass wir irgendwann alle out burnen und
away faden? Sternenstaub?
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Wenn ich mir den Himmel wirklich wie eine Garderobe vorstelle, dann hat jeder
Mensch da seinen Spind, einen Spind mit seinem Namen drauf.
Und in dem Spind liegen Dinge von Bedeutung.
Wie ein Archiv, in dem die Spuren eines jeden Lebens darin aufbewahrt werden.
Wenn ich mich an jemanden erinnere, der gestorben ist, welche Spur seines
Lebens greife ich auf? Habe ich den verstorbenen Menschen überhaupt
verstanden? Wollte der gestorbene Mensch verstanden werden? Was von dem
verstorbenen Menschen habe ich gekannt, dadurch, dass ich ein Bild von ihm
kannte, das er gemalt halt, ein Gedicht von ihm auswendig gelernt habe, das er
geschrieben hat, ein Fragment von ihm immer und immer wieder gelesen, bis ich
das Gefühl hatte, ich habe ihn verstanden, um mir im nächsten Moment wieder
Unrecht zu tun?
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Worte werden aufbewahrt, wenn sie niedergeschrieben werden. Sie bekommen
dadurch eine Realität, eine Gewissheit, einen Platz in der Welt. Sie hinterlassen
eine Spur, auch wenn diese Spur nur aus Tinte auf Papier besteht.
Gedanken werden nicht aufbewahrt.
Meine Erinnerungen sind Gedanken, wenn ich sie niederschreibe, werden sie
bewahrt, für die Nachwelt, für das, was nach mir kommt. Und wenn die Sintflut
nach mir kommt? Wenn alles verschwimmt und verwischt? Wenn ich nichts mehr
zurücklasse, auch keine Lücke mehr? Was dann? Ja, was dann?
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Fragt sich der Mensch, was er hinterlassen will? Was er zurücklassen will? Wenn
er geht?
Fragt sich der Mensch, welche Spuren er hinterlässt? Oder hinterlässt er Spuren,
denen er sich nicht bewusst sind?
Küsse? Verletzungen (innere, nicht äusserliche. Also innere im Sinne von
gebrochenen Herzen oder so)? Berührungen?
Oder sind es nur die Erinnerungen an Küsse, Verletzungen, Berührungen, ein sich
erinnern an ein bestimmtes Gefühl, an das Gefühl eines bestimmten Kusses von
einer bestimmten Person, eine bestimmte Person, die mir das Herz gebrochen hat,
einer bestimmten Berührung an einer bestimmten Stelle?
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Das, was zwischen zwei Menschen passiert ist das, was die Begegnung der
Menschen ausmacht. Das passiert in den Zwischenräumen. Es passiert in dem
Raum, der sich zwischen zwei Menschen eröffnet. Ein Knistern der Luft. Ein
Funkensprühen. Eine Stille.
Das, was die Begegnung ausmacht, findet im Zwischenraum statt zwischen den
zwei Menschen. Das ist nicht fassbar nicht greifbar nicht erklärbar aber ich kann es
spüren. Wenn der Zwischenraum zur Leere wird. Wenn in dem Zwischenraum
nichts mehr verhandelt wird, wenn nur noch nichtssagende Worte ausgetauscht
werden, aber der Zwischenraum sich schliesst, ja, was dann?
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Zwischen den Räumen gehen Glück und Trauer.
Glück und Trauer gehen oft Hand in Hand.